Wissenschaftlicher Newsticker Dezember 2020
Variantenreiche Serienfertigung von Lenkgetriebebauteilen – hybride Losfertigung im Parallelverlauf
Projektpartner: Thyssen Krupp PRESTA Schönebeck GmbH
Fertigungssteuerung mit einer bestandsnivellierten Engpassbelegung
Die Wahl einer geeigneten Fertigungsform hängt in aller Regel von der technischen Teilbarkeit der Arbeit und den so zu fertigenden Stückzahlen ab. Zumeist geht mit einer hohen Stückzahl dann wiederum ein erhöhter Automatisierungsgrad einher. Was aber tun, wenn sich das Produktionsprogramm langfristig in unterschiedliche Produktmodifikationen entwickelt und sich so aus einer oder mehreren monolithischen Fließlinien eine quasikontinuierliche Losfertigung über Engpassmaschinen entwickelt?
Klassische Push-Steuerungsroutinen versagen, da innerhalb der Arbeitssysteme durch die losorientierte Maschinenbelegung in Kombination mit Störzeiten diskontinuierliche, kaum steuerbare Abflüsse erzeugt werden.
Das Problem verschärft sich durch einen zunehmenden Einfluss notwendiger Rüstaktivitäten, welche häufig zu störungsbedingten Maschinenausfällen führen. In der Endkonsequenz hat dies mithin eine dramatische Verschlechterung der Liefertermintreue zur Folge.
Zur Lösung dieses Problems haben die Forscher des PSA-Lehrstuhls eine bestandsnivellierte Engpassbelegung entwickelt. Dabei werden die Verfahren zur Engpassoptimierung mit bestandsgeführten Steuerungsverfahren derart kombiniert, dass über Arbeitsvorräte systemimmanente Verfügbarkeiten als Belegungsroutine für den jeweiligen Engpass ermittelt werden (vgl. [1] und [2]).
Bild 1: Grundkonzept der bestandsnivellierten Engpassbelegung
Im Fokus unserer Betrachtung stehen Produktionssysteme mit einem einfachen und gerichteten Materialfluss als lose verkettete Linienstruktur (vgl. Abb. 1). Bei derartigen Verkettungen bestimmt der Engpassprozess die max. Durchsatzrate DR zur Erfüllung der Kundennachfrage NF im Zeitraum T. D.h., im eingeschwungenen Systemzustand ist die Durchsatzrate je Prozessschritt i gleich groß und entspricht der Durchsatzrate des Engpassprozesses:
Diese modellbasierte Betrachtung vereinfacht das Festlegen und Überwachen der notwendigen Arbeitsvorräte im Wertstrom vor und direkt am Engpass durch gemittelte Relationswerte in folgender Kombination:
- Kontinuierliche Bestandsbewertung (Materialabriss am Engpass verhindern)
mit dem Deckungsgrad DG am Engpass - Bedarfsgesteuerter Mengen- und Kapazitätsabgleich (Wertstrom vor dem Engpass steuern)
mit der Bestandsrate BR vor dem Engpass
In Definition eines unteren Schwellwertes löst eine jeweilige Bestandsunterdeckung eine kurzfristige Termin- bzw. Mengenanpassung der Auftragseinsteuerung zur Absicherung der notwendigen Arbeitsvorräte vor dem Engpass aus.
Im praktischen Einsatz erfolgte die Festlegung dieser Schwellwerte in Abhängigkeit von
- den vorliegenden Losgrößen- und Bedarfsschwankungen,
- den OEM-Vorgaben des Lieferservicegrades sowie
- dem Ausfallverhalten der Betriebsmittel.
Durch das entwickelte und erfahrungsseitig mit dem Projektpartner erprobte Verfahren gelingt es, Einsteuerungspunkte und -mengen derart zu ermitteln, dass sowohl die Engpassbelegung rüstoptimiert erfolgen kann, als auch die daraus resultierende Verfügbarkeit der Werkstücke sichergestellt wird.
Ansprechpartner: Ulf Bergmann und Gerd Wagenhaus (IAF) / Jana Stierwald und Nils Gürcke (thyssenkrupp Presta Schönebeck GmbH)
Weitere Infos:
Validierung und Evaluation der Steuerung robuster Fertigungen für die Lenkgetriebe-Teilefertigung
Quellen:
[1] Busch, U.: Entwicklung eines PPS-Systems: Praktische Anleitung für Auswahl und Realisierung von Produktions-Planungs- und -Steuerungssystemen. Berlin: Erich Schmidt Verlag (1990), S. 60-64.
[2] Kimball, J. E.: General Principles of Inventory Control. International Journal of Manufacturing and Operations Management, 1 (1988) 1, pp. 119-130.