Wissenschaftlicher Newsticker November 2020
Common Concepts – Eine Voraussetzung für ein gutes Design der Industrie 4.0 Verwaltungsschale
Zur Umsetzung der Industrie 4.0 wird in zunehmendem Maße die Industrie 4.0 Komponente und deren Verwaltungsschale diskutiert. Diese Verwaltungsschale soll zum einen ein digitales Abbild des in der Industrie 4.0 Komponente enthaltenen physischen Produktionssystemteiles (genannt Asset) bilden und zum anderen Zugangswege zu seiner Steuerung bieten. Entsprechend sollte es eine vollständige Menge der Informationen enthalten, die mit Bezug auf das Asset im Engineering entstehen. Dazu wurde bereits eine generelle Struktur der Verwaltungsschale definiert, die auf das herstellerneutrale Datenaustauschformat AutomationML abbildbar ist:
In verschiedenen Forschungsaktivitäten am IAF konnte nachgewiesen werden, dass ein sinnvoller Weg zur Komplettierung der Informationen in der Verwaltungsschale über die Abbildung der Im Entwurfsprozess des Produktionssystems relevanten Engineeringdisziplinen und ihrer domänenspezifischen Modelle bzw. Sprachen führt. Jede der domänenspezifischen Sprachen wird dabei von einem der Submodels der Verwaltungsschale repräsentiert in dem dann Property Elementen die einzelnen Eigenschaften abbilden Quelle[l1] .
Abbildung 1: Architektur der Informationslogistik zur Befüllung von Verwaltungsschalen
Ein verbleibendes offenes Problem ist die Analyse, welche Engineeringdisziplinen denn nun eigentlich in einem spezifischen Anwendungsfall des Engineerings eines Produktionssystems relevant sind und welche Informationen diese adressieren. Um diese Frage zu beantworten wurden am IAF im Rahmen einer sehr erfolgreichen Masterarbeit in Kooperation mit BMW Grundlagen geschaffen.
Ausgangspunkt der Arbeiten war die Feststellung, dass Engineeringprozesse in Engineeringorganisationen als Netzwerk von Engineeringaktivitäten aufgefasst werden können. Diese Aktivitäten benötigen Werkzeuge und qualifiziertes Personal für ihre Ausführung und sind im Sinne einer Vorgänger-Nachfolger-Relation vernetzt, über die im Engineering relevante Informationen ausgetauscht werden. Diese Informationen entstehen in einzelnen Aktivitäten und werden in anderen Aktivitäten benötigt (Quelle[l2] ). In den einzelnen Engineeringaktivitäten haben sich für die Abbildung der benötigten bzw. erzeugten Informationen zwar eigene Modellformen und Vokabulare entwickelt, jedoch werden im allgemeinen die gleichen Objekte beschreiben. Für diese werden relevante Eigenschaften dargestellt, die durchaus in mehreren Disziplinen anzutreffen sind. Genau diese Informationen müssen jedoch in einer Industrie 4.0 Verwaltungsschale zu den einzelnen dargestellten Objekten enthalten sein.
Entsprechend ergibt sich ein Vorgehen für die Festlegung der Inhalte für eine Industrie 4.0 Verwaltungsschale in einem Anwendungsfall aus zwei generellen Schritten. Im ersten Schritt müssen die Entwurfsaktivitäten und ihre Reihenfolge bzw. Abhängigkeiten sowie die für sie benötigten Werkzeuge und Personalgruppen gesammelt und aufbereitet werden (grüner Teil in Abbildung 2). Dies kann in Workshops mit dem Projektleiter und den am Engineeringprozess beteiligten Experten geschehen. In der Reihenfolge der Engineringaktivitäten sind dann in Einzelgesprächen mit den Experten der einzelnen Disziplinen die benötigten und die erzeugten Datenobjekte zu betrachten. Diese können jeweils als eingehende und ausgehende Konzepte verstanden werden. Da in einem funktionierenden Entwurfsnetzwerk jede benötigte Information aus einer anderen Aktivität stammen muss (bei Informationen von außerhalb des Engineeringnetzwerkes wie zum Beispiele von Komponentenlieferanzen kann eine oder mehrere Sammelaktionen ohne eingehende Informationen postuliert werden), können dabei die eingehenden Informationen von ausgehenden Informationen vorgelagerter Disziplinen bze. Ausgehende von eingehenden Informationen der selben Aktivität durch hinzunehmen oder weglassen von Eigenschaften abgeleitet werden (blauer Teil in Abbildung 2) .
Die Ableitungsstruktur von ausgehenden und eigehenden und ausgehenden Informationen kann nun genutzt werden um Konzepte bzw. Informationsobjekte zu identifizieren, die Disziplinübergreifend sind. Dazu kann die Ableitungsstruktur herangezogen, verfolgt und die sich bildenden „Überkonzepte“ beschrieben werden, die Common Concepts (roter teil in Abbildung 2). Diese benennen dann alle Informationen und die für sie relevanten Engineeringdisziplinen und bilden so die Grundlage für die Strukturierung der Industrie 4.0 Verwaltungsschale.
Abbildung 2: Meta Modell für die Analyse von Common Concepts
Um die entwickelte Methode zu überprüfen wurde in der genannten Masterarbeit ein prototypisches Werkzeug geschaffen, das das genannte Vorgehen unterstützt, und in einer Pilotanwendung bei der BMW AG angewendet (siehe Abbildung 3). Dabei konnte nachgewiesen werden, dass die Methode in sinnvoller Zeit anwendbar und die Ergebnisse zur Strukturierung von Datenlogistiken nutzbar sind, so dass die Datenlogistiken dann Industrie 4.0 Verwaltungsschalen generieren können.
Abbildung 3: Prototypisches Werkzeug für die Analyse von Common Concepts
Details zur beschriebenen Methode können in Quelle[l3] nachgelesen werden.
Ansprechpartner: Prof. Dr.-Ing. habil. Arndt Lüder
[l1]A. Lüder, A.-K. Behnert, F. Rinker, and S. Biffl: Generating Industry 4.0 Asset Administration Shells with Data from Engineering Data Logistics, 25th IEEE Conference on Emerging Technologies and Factory Automation, Sep. 2020, Vienna, Austria, Proceedings.
[l2]T. Schäffler, M. Foehr, A. Lüder, K. Supke: Engineering Process Evaluation - Evaluation of the impact of internationalisation decisions on the efficiency and quality of engineering processes, 22nd IEEE International Symposium on Industrial Electronics (ISIE) Taipei, Taiwan, Mai 2013, Proceedings.
[l3]A. Lüder, L. Baumann, A.-K. Behnert, F. Rinker, S. Biffl: Paving Pathways for Digitalization in Engineering: Common Concepts in Engineering Chains, 25th IEEE Conference on Emerging Technologies and Factory Automation, Sep. 2020, Vienna, Austria, Proceedings.