Scientific news ticker december 2018
Versuchsstand <Smart Factory>: „Realsimulation“ von Produktionsabläufen mittels Steuerungsarchitekturen der digitalen Zukunft
Dezember 2018 Für Fabrikplaner und Betriebsorganisatoren ist die Simulation von Produktionsabläufen ein wichtiges Werkzeug, um die Leistungsfähigkeit eines neu konfigurierten Produktionssystems zu bestimmen. Dem Grunde nach erfolgt hierbei die Nachbildung von Produktionssystemen mit ihren dynamischen Ablaufvorgängen in einem experimentierfähigen Modell gemeinhin auf Basis einer rechnergestützten Simulationsstudie. Mit dem seit Beginn des Jahres installierten Versuchsstand <Smart Factory> wird dies im Rahmen unserer Lehr- und Forschungsaktivitäten nunmehr als „Realsimulation“ erlebbar.
Dazu wurden auf Basis von Lehr-Simulationsmodellen der Firma Staudinger und Software der Firma logi.cals eine Reihe von modularen Arbeitsstationen installiert. Diese können frei konfiguriert und in beliebigen Anordnungen zu Modellen einer Vielzahl unterschiedlicher Arten und Ausprägungen von Produktionsanlagen kombiniert werden. Neben der expliziten Darstellung dedizierter Effekte ablauforganisatorischer Problemstellungen ermöglicht das System auch die experimentelle Überprüfung von Maßnahmen zu deren Lösung.
auf Click: Video vom realem Versuchsaufbau
Um verschiedene Ablaufstrukturen auf dem System zu evaluieren, bedarf es einem hohen Maß an Konfigurierbarkeit des Systems. Gleichzeitig muss die Tätigkeit der Konfiguration aber einem geeigneten zeitlichen und fachlichen Rahmen genügen. Eine stetige Neuentwicklung der Steuerungsarchitektur und -programmierung ist daher ungeeignet und wurde durch eine eigens entwickelte teil-automatisierte Inbetriebnahme ersetzt. Hierbei wird zur Lösung der Aufgabenstellung die Anlagenkonfiguration in Hard- und Software modellgetrieben erstellt und letztlich in einem AutomationML-Datenmodell abgelegt.
Ein am IAF entwickeltes Multi-Agentensystem (MAS) greift auf die Konfigurationsdaten während der Initialisierung und Laufzeit der Simulation über einen ebenfalls durch das IAF selbst implementierten AutomationML-OPC UA Server zu. Die Konfiguration und Orchestrierung der einzelnen Arbeitsstationen wird nun entsprechend des gegebenen Lösungsvorschlags durch das MAS durchgeführt. Die Vernetzung der Komponenten untereinander und mit dem MAS basiert ebenfalls auf OPC UA. Diese Kommunikationsarchitektur ermöglicht gleichzeitig die automatische Erfassung der Prozessdaten und liefert eine solide Datenbasis für die Ermittlung von aggregierten Kennzahlen (KPIs). So können die Ergebnisse der Experimente direkt rechnergestützt ausgewertet werden.
Im Rahmen des Forschungsprojektes INTEGRATE wird diese Architektur weiterführend dazu genutzt die lebenszyklusüberspannende Integration von Daten aus dem Anlagenentwurf zu erproben. Hierzu werden die Entwurfsdaten über die INTEGRATE Plattform zu einem „Anlagen-Repository“ zusammengeführt und stehen über filter- und zugangsbeschränkte Sichten zur Simulations-Laufzeit zur Verfügung. Das eingesetzte Multi-Agenten System ist so in der Lage, über den Entwurfsdaten der Anlage Entscheidungen zur Laufzeit des Systems zu treffen.
Darüber hinaus erweist sich das Interagieren mit dem physischen Modell im Rahmen der Aus- und Weiterbildung von Studierenden und interessierten Industriepartnern als hilfreich, um ablauforganisatorische Phänomene und die sich daraus häufig erfahrungsgeleitet ergebenen Grundsätze für das wirtschaftliche Betreiben von Produktionssystemen nachhaltig zu vermitteln.
Dabei fungiert der Versuchsstand als Demonstrator, in dessen experimentierfähiger Modellumgebung eine gezielte Veränderung steuerungsrelevanter Parameter vorgenommen wird. Dazu zählen z.B. die Festlegung von Fertigungslosgrößen, die Regelung der Auftragsweitergabe und die Bewirtschaftung von Engpassressourcen.
Zukünftige Aktivitäten konzentrieren sich auf die dynamische Rekonfiguration des Versuchsstandes, um daraus weiterführende Demonstrationsbeispiele zu generieren und die Verwendung maßgeblicher Produktionskennzahlen zur Beurteilung auch komplexer Produktionsstrukturen zu erforschen.
Ansprechpartner: Dr.-Ing. Ulf Bergmann, Dipl.-Ing. Ronald Rosendahl